„Ich will Dich ja nicht beunruhigen, aber wir fahren jetzt ins Krankenhaus!!!“
Diese Kurznachricht erreichte mich an einem Mittwoch Abend im März um 23:06 Uhr.
Okay. Kein Grund zu unkoordinierter Nervosität. Es war ja alles vorbereitet. Kamera, bereit.
Ersatzkamera. Ebenfalls. Akkus geladen. Speicherkarten. Wollte ich später heute Abend…
… argh! Alles vorbereitet also. Nicht.
Die erste fotografische Begleitung einer Geburt stand ins Haus. Nicht mehr,
aber auch nicht weniger. Nein, ich war nicht beunruhigt. Ich hüpfte im Quadrat.
Dabei hatte ich ja noch Zeit. Theoretisch. Und die werdende Mama schrieb selbst, sie
möchte mich nicht beunruhigen.
Außerdem hatte ich gerlent, dass schnelle Geburten bei Erstgebärenden Frauen eher die Ausnahme sind.
Die Frage war jetzt nur, ob die Kleine davon auch in Kenntnis gesetzt worden war…
Die werdende Mama hing bereits am CTG und konnte nicht ans Telefon gehen. Textete mir ihr Freund
nach mehreren vergeblichen Anrufen meinerseits. Ich hatte so viele Fragen.
Es hieß aber erst mal Warten. Und Denken. Viel Denken.
Sollte ich schon losfahren? Bis nach Harburg würde ich schließlich eine Weile brauchen. Um diese Zeit besonders.
Oder noch warten bis ich erfahre wie weit der Muttermund geöffnet ist- wie es theoretisch geplanter Weise gedacht war?
Was, wenn es noch 10 Stunden dauert oder gar Fehlalarm war?
Ich schälte mich aus meiner Jogginghose, löschte – dann jetzt doch – sämtliche Dateien von den Speicherkarten, räumte die
Reste des Abendessens weg und schaute alle 2 Sekunden auf mein Handy. Endlich, eine Textnachricht des werdenden Papas
auf meine Frage, ob die Fruchtblase schon geplatzt sei.
00:01 nee, Fruchtblase ist noch nicht geplatzt
Ok. Gut, dass ich nichts überstürzt habe.
00:02 Fruchtblase ist geplatzt
Vielleicht doch nicht so gut, dass ich nichts überstürzt habe…!
00:12 Nimm ein Taxi geht los
Taxi? Nach Harburg? Meint er das ernst? Vermutlich. Taxi rufen. Das wird doch jetzt aber hoffentlich nicht so schnell gehen,
dass ichs nicht mehr… Noch eine Nachricht auf einem anderen Kanal:
00:15 Nimm ein Taxi!!!
Und wie ernst er es meint.
Run girl, run.
Wenige Minuten später saß ich im Taxi mit einem glücklicherweise nicht nur netten sondern auch ortskundigen Fahrer, der
in Sachen Eiligkeit sagen wir mal erfreulich Kundenorientiert eingestellt war. Bei „meiner“ ersten Geburt zu spät zu kommen,
undenkbar.
Nach einer gefühlten Ewigkeit stand ich endlich vorm Nacht- und Notaufnahmeeingang. Normalerweise wäre ich erst noch drei
Mal ums Haus gelaufen um zu sehen, ob es noch einen anderen, irgendwie „offizielleren“ Eingang gab.
Dafür war aber definitiv keine Zeit. Zumal mich just in dieser Sekunde eine weitere Nachricht erreichte:
00:41 Wo bist du
Hier, ich war hier und vor meinem inneren Auge kam gerade das Kind.
Dem war Gott sei Dank nicht so. Eine leicht irritierte Hebamme öffnete mir – die werdenden Eltern hatten zwar im Vorfeld die Erlaubnis
eingeholt, dass ich fotografiere, da in dieser Nacht aber alles Schlag auf Schlag ging die diensthabende Hebamme vergessen zu informieren.
Sie nahm es entspannt hin und ich war also endlich da.
Keine Minute zu früh.
Tapfer stand die werdende Mama die letzten Wehen durch, unterstützt von ihrem liebevollen Partner und einer tollen Hebamme.
Ich war froh, wenn ich zwischendurch etwas tun konnte außer „nur“ zu fotografieren, wie Dinge anreichen oder den Partner beim Halten
der Beine einen Moment abzulösen.
Kurz nach 2 Uhr war er dann da: Der magische Moment, in dem die kleine Mira geboren wurde.
Ein wunderschönes kleines Mädchen mit dichtem, schwarzem Haar.
Eine Strähne ihrer Haare hat übrigens schon eine ganze Weile vorher das Licht der Welt erblickt. Aber ich glaube, das zählt nicht.
Es war wirklich ein Privileg, diesen Moment miterleben zu dürfen und ich möchte mich auch hier noch einmal ganz herzlich bei den
tollen Eltern für ihr Vertrauen und auch ihren Mut, diese Bilder mit der Welt zu teilen, bedanken.
Ich war sofort schockverliebt in die kleine Zaubermaus- wie ihre Mama sie liebevoll nennt- und blieb bis in die frühen Morgenstunden
im Krankenhaus. Theoretisch hätte ich mich schon viel früher wieder auf den Nachhauseweg machen können aber…ach, lassen wir
das mit der Theorie einfach für heute.
Es lag einfach noch viel zu viel Wunder in der Luft. Und zwischendurch auch in meinem Arm. Entzückend quiekend.
Noch etwas lag in der Luft: Erleichterung.
Alle waren wohlauf, Mira hatte gesund das Licht der Welt erblickt und ich es rechtzeitig geschafft da zu sein.
Somit auch meinen ersten Einsatz als Geburtsfotografin – der für mich so etwas wie ein Testlauf sein sollte. Zwar war die Lichtsituation
im Kreißsaal zum Fotografieren etwas mehr als suboptimal und ich war nicht sicher, ob die Fotos am Ende wirklich zu gebrauchen wären. Aber ich wusste, es war ein Geschenk, diese besonderen Momente für die Eltern festhalten zu dürfen.
Dieser Text soll einen kleinen Einblick in meinen ersten Einsatz als Geburtsfotografin geben.
Alles Weitere mögen die Bilder erzählen.
Geburtsreportage l Die Geburt von Mira from Geburtsreportage on Vimeo.